Durchatmen und Stille geniessen

Durchatmen und Stille geniessen

Der Blick der Fremden auf den Soonwald Wer das Glück hat am oder gar im Soonwald zu leben, der weiß, welche Freude das ist und welche Lebensqualität damit verbunden ist, einem großen Waldgebiet nahe zu sein.

Von Monika Kirschner

„O wunderbares, tiefes Schweigen
Wie einsam ist`s noch auf der Welt
Die Wälder nur sich leise neigen
Als ging der Herr durch`s stille Feld
Ich fühl mich recht wie neugeschaffen,
Wo ist die Sorge und die Not…“

Joseph von Eichendorff *1788 – +1857

Wer das Glück hat am oder gar im Soonwald zu leben, der weiß, welche Freude es ist, einem großen Waldgebiet nahe zu sein. Doch wie alles Vertraute, wird auch diese Situation über die Jahre selbstverständlich und man spricht nicht viel darüber.

Anders ist das für Menschen, die zum ersten Mal unsere Heimat erleben. Ihr Blick ist nicht durch Gewohnheit getrübt. Es ist die unbefangene Sicht von außen mit oft aufschlußreichen Anmerkungen.


„Gute Luft, Ruhe und die Dunkelheit der Nacht…“

Gäste in Waldfriede aus den nahen Großstädten betonen immer wieder, dass sie selten in Deutschland auf schmalen Straßen solange durch Laubwald gefahren sind, um irgendwo anzukommen. Sie wundern sich, ein so großes unzersiedeltes Waldgebiet vor ihrer Haustür zu haben, von dem viele von ihnen noch nie etwas gehört haben. Nach der ersten Nacht verdichten sich ihre Aussagen auf drei Erfahrungen: die gute, saubere Luft, die ungewohnte Ruhe und eine Dunkelheit der Nacht, die den Sternenhimmel leuchten läßt…

Unsere Besucher schätzen darüber hinaus die enge Verklammerung von Wald und Wein. Sie sind begeistert von den unerwartet abwechslungsreichen Spaziergängen, die innerhalb von ein paar Stunden von versteckten Burgruinen im Wald durch dunkle Bachtäler in die lichten und warmen Weinberge führen. Viele Gäste sind auch überrascht über das milde regenarme Klima. In dieser Hinsicht ist man aus anderen Waldgebieten, wie zum Beispiel dem Sauerland oder dem Bergischen Land bei Köln anderes gewöhnt, denn mit Regen muss man dort immer rechnen. Nicht so bei uns. Die Gastronomie-Szene wird als etwas weitläufig, um nicht zu sagen lückenhaft empfunden. Die mangelnde touristische „Aufbereitung“ des Soonwaldes wird dagegen oft als wohltuend empfunden. Ich höre immer wieder, wie aufregend es ist, alte Gemäuer, Felsen und Türme im Wald zu entdecken, zu denen eben keine breiten, abgesicherten Wege mit Handlauf und Informationstafel an jeder Ecke führen.

Nach ein paar Tagen, wenn die „Fremden“ aus der Stadt, früher hießen sie in Waldfriede die „Kurfremden“, erst einmal etwas vertrauter mit den Eigenheiten des Soonwaldes geworden sind, dann betonen sie ihre Verblüffung darüber, wie wenig diese Region touristisch genutzt wird – trotz der guten Erreichbarkeit von den nahen Ballungsräumen.

Ich muss sagen, ich teile dieses Erstaunen bis heute.

„Ein Wald wie aus alten Märchen…“

Medienmenschen stellen wieder andere Dinge in den Vordergrund ihrer Beobachtung als Gäste. Im Sommer 2003 erkundete ein Fernsehteam des Ersten Deutschen Fernsehens unter Leitung des Filmemachers Uli Paulus wochenlang den Soonwald. Sie drehten eine Dokumentation für die renommierte Reihe „Bilderbuch Deutschland“. In seinem Pressetext zur Sendung charakterisiert der Autor Uli Paulus den Soonwald so:

„Ein Wald wie aus alten Märchen: jahrhundertealte Eichen, romantische Burgruinen mit herrlichen Ausblicken, verwunschene Lichtungen, blühende Wiesen, kristallklare Bäche, bizarre Felsen und einsam gelegene Gehöfte prägen die Heimat der Menschen im Soonwald. „Silva sana“, gesunder Wald, nannten ihn die Römer. Einst versteckte sich hier der  Räuberhauptmann Schinderhannes mit seiner Bande, und der Jäger aus Kurpfalz ritt durch die grünen Fluren. Heute pflegen engagierte Forstleute den Wald und hüten seine versteckten Kleinode: kleine, lichtdurchflutete Urwälder, von saftigen Moospolstern überwachsen, zu denen oft nur geheime Pfade führen.“

Solche Beschreibungen sind typisch für eine Sicht von außen auf den Soonwald. Sie werden von den Einheimischen oft als etwas merkwürdig und übertrieben empfunden. Das liegt nicht nur an der Bescheidenheit sondern auch an der Schwierigkeit das Besondere am Eigenen, Vertrauten zu entdecken. Das fällt natürlich Menschen leichter, die ständig verschiedene Landschaften bereisen und porträtieren müssen. Ihr Augenmerk für das Besondere jeder Landschaft, die Unterscheidungsmerkmale ist allein berufsbedingt besonders geschult.


„Himmlische Ruhe am Flugplatz Hahn“

Nicht nur Medienmenschen auch Touristiker versuchen den Charakter unserer Heimat zu extrahieren. Auch ihnen fällt zum Soonwald als erstes seine Abgeschiedenheit und die ungewöhnliche Stille ein, die im Wald nur durch den Flugverkehr gestört wird. Der erste Satz im internationalem Werbeprospekt des Flugplatzes Hahn heißt: „Holidays around Frankfurt Hahn“ „Willkommen in einer der schönsten Naturlandschaften Deutschlands. Ihr Flughafen Hahn liegt inmitten der Höhen des Hunsrücks – einer ländlichen Ferienregion mit himmlischer Ruhe.“ Das derselbe Flughafen Hahn nicht gerade zum Erhalt des für die Autoren der Broschüre offensichtlich ersten Vorzugs der Region beitragen, haben sie vor lauter Begeisterung über die „himmlische (!) Ruhe scheinbar vergessen. Dieser Text scheint mir bezeichnend für den Umgang mit den Werten unserer Heimat. Sie werden proklamiert und gleichzeitig aufs Spiel gesetzt, als könnte man sich gar nicht vorstellen, dass die beschworene „himmlische Ruhe“ genauso wie die gute Luft einmal nicht mehr da sein könnte. Es war doch immer so und man hat doch genug davon… Welchen wirtschaftlichen Wert Ruhe und gute Luft auch heute schon haben kann, beweist ein kleiner Ausflug in das nahe Traben Trarbach.


„Der wahre Luxus ist Ruhe“

Vielleicht die teuerste Wellness-Adresse in Deutschland, das Parkschlösschen in Traben-Trarbach, wirbt mit dem Slogan: „Der wahre Luxus ist Ruhe“. Das Ayurveda-Hotel hat offensichtlich Erfolg mit seiner Werbestrategie und die Stadtväter von Traben-Trarbach freuen sich über die Nobel-Adresse, die mehrere hundert Arbeitsplätze sichert. Die Manager des Parkschlösschen reagieren mit ihrem Angebot der Ruhe auf einen Entwicklung, die viele noch nicht ernst genug nehmen: Die meisten Menschen wohnen heute in den zersiedelten Räumen der ausufernden Stadtlandschaften. Eine allgegenwärtige Lärmbelastung mit Zivilisationsgeräuschen ist für solche Gebiete typisch. Inzwischen belegen immer mehr Studien: es gibt kaum noch Deutsche, die sich nicht durch Lärm dauer-belästigt fühlen. Der akustische Müll erreicht die tieferen Bewußtseinsschichten und entwickelt sich dort zu erst zu einem allgemeinen Unwohlsein und dann zur Krankheit. Das führt unter anderem zum „Rauschen im Ohr“, dem gefürchteten Tinnitus. Innenohr-Erkrankungen nehmen dramatisch zu. Es gibt bereits Millionen Lärmkranke. Alarmierend sind die Auswirkungen des Lärms besonders auf das Gehör von Kindern und Jugendlichen, von denn bis zu 20% bereits bleibende Hörschäden haben. Für ihre Therapie wird in Zukunft die Stille gefragt sein. – und die darf dann auch was kosten! Außerdem wird es immer mehr Lärmflüchtige geben, welchen die wenigen Räume der Ruhe jenseits von Zivilisationsgeräuschen herbeisehnen werden, wie sie der Soonwald – noch – bietet.

„Stille ist Dein wahres Selbst“
Östliche Weisheit

Die Stille ist außerdem der Ort, aus der die größten Weisheiten geboren wurden. Philosophen und Meister der Erkenntnis ziehen sich von jeher in die Stille zurück: die Stille eines Klosters, einer Höhle, einer Einsiedelei, wie hier ganz in unserer Nähe die Eremiten von Maria Reizenborn in der Stille des Waldes.

Vielleicht ist auch das bald wieder gefragt.

„Reinste Luft Deutschlands“

Weiter heißt es im bereits erwähnten Hochglanzprospekt für den Flugplatz Hahn „Wandern und Radeln werden im Hunsrück groß geschrieben, denn in der reinsten Luft Deutschlands macht das doppelt Spaß.“

Wald und gute Luft, das gehört überall auf der Welt zusammen wie Rebstock und Traube. Beim Soonwald sorgen günstige Randbedingungen dafür, dass die Luft zu einem Erlebnis wird. Im weiten Umfeld gibt es keine großen Industrieansiedlungen und die kräftige Brise von den Höhenlagen des Hunsrücks sorgt dafür, dass immer frische Luft nachkommt. Tatsächlich wurden hier in unserer Heimat Luftwerte gemessen, die zu den besten in Deutschland gehören, vergleichbar mit Werten in Hochgebirgen und am Meer.

Die sauerstoffreiche Luft des laubwaldreichen Soonwaldes war vor über 100 Jahren der erste Anlaß zu touristischen Aktivitäten. Sie führte schon früh zu der Gründung von Luftkurorten, wie zum Beispiel der kleinen „Curcolonie Waldfriede“ Ende des 19.Jahrhunderts und dem Bau verschiedener Aussichtstürme.

Ruhe und gute Luft, das sind auch heute wieder die ganz großen Trümpfe unserer Region. Sie sind ein selten geworden und auch sie werden in Zukunft eine wirtschaftliche Bedeutung bekommen, die wir uns heute nur ahnen können. Das liegt vor allem an der Entwicklung unseres Gesundheitswesens und einem völlig anderen selbstverantwortlichen Umgang mit Krankheit.

„Heutzutage kennt man von allem den Preis,
aber von nichts den Wert.“

Oscar Wilde *1854 – +1900

Viele Menschen würden allein wegen der Ruhe in den Soonwald kommen, wenn wir es schaffen, sie zu erhalten; sie in die Zukunft zu retten. Dasselbe gilt für die Dunkelheit der Nacht. Wir werden uns an den Gedanken gewöhnen müssen, das auch das für die meisten Menschen in Deutschland ein selten gewordenes Erlebnis geworden ist. Der Grund dafür ist die künstliche Aufhellung des Nachthimmels, die sogenannte Lichtverschmutzung. Wenn man am Soonwaldrand wohnt, kann man – noch – sich kaum vorstellen, das Lichtverschmutzung ein Problem darstellen könnte und dass man den Sternenhimmel schützen muss, wie eine seltene Pflanze…

Das sind besorgte Gedanken, denn die Stille, saubere Luft und Dunkelheit hat keine mächtige Lobby. Im Gegenteil, solange diese Qualitäten unseres Waldes an keiner Börse gehandelt, in keinem Geschäft zu kaufen sind, scheint ihr Gegenwert gleich null. Er ist zumindest unklar, denn Werte, die nicht in Geld ausgedrückt werden können, werden tendenziell weniger wahrgenommen.

„Die Seele wird vom Pflastertreten krumm.
Mit Bäumen kann man wie mit Brüdern reden
Und tauscht bei ihnen seine Seele um.
Die Wälder schweigen. Doch sie sind nicht stumm.
Und wer auch kommen mag, sie trösten jeden.“

Erich Kästner *1904 – +1974

Eichendorff und Kästner wußten schon in ihrer Zeit, dass der Wald „neuschaffen“ und „trösten“ kann. Die modernen Reaktionen auf das Erlebnis „Soonwald“ zeigen, dass die Sehnsucht danach nicht nachgelassen hat. Die Gedanken und Empfindungen von Zugereisten und Besuchern erinnern uns daran. Wir sollten ihnen genauer zuhören…