Fragen an Monika Kirschner zum Thema Windkraft

Aufgrund der vielen Nachfragen, kritischen Anmerkungen, Lesermeinungen und der vielen positiven Reaktionen gab es zum Thema Windkraft viele Anfragen, Mails und Telefonate.

Da wir uns außerstande sehen, die Menge an Fragen zu beantworten, haben wir uns dazu entschlossen einen Fragenkatalog der Allgemeinen Zeitung und die entsprechenden Antworten zu veröffentlichen. 

Fragen an Kirschner/ Boxler von der AZ-Redaktion

Antworten von Monika Kirschner-Ludwig, Stromberg

1. Wissenschaftler sind der Auffassung, dass die Stromversorgung Deutschlands rein aus erneuerbaren Energien möglich wäre. Ist das nicht eine verlockende Vorstellung, gerade auch vor dem Hintergrund der aktuellen Energiekrise?

Antwort:

Leider sieht es nicht ganz so rosig aus. Solange es keine Lösung für Speicher gibt, wird man die Grundversorgung nicht mit erneuerbaren Energien herstellen können.

Doch zu uns: wir stehen vor einer historischen Entscheidung über die Zukunft unserer Heimat. Es gibt keinen Vergleich in unserer Vorgeschichte von einer ähnlich radikalen menschengemachten Umgestaltung unserer Landschaft wie die, die jetzt angedacht ist. Es geht zurzeit um gut 110 geplante Windräder, wobei die Dunkelziffer beträchtlich höher liegen dürfte. Sie sollen in den Verbandsgemeinden Nahe-Glan und Rüdesheim aufgestellt werden. Und es geht dabei um 300 Meter hohe Windräder der allerneuesten Generation, die das Landschaftsbild so massiv verändern werden, wie sich das vermutlich noch kaum jemand vorstellen kann.

2. Das Land Rheinland-Pfalz schreibt vor, dass 2,2 Prozent der Flächen für Windkraft ausgewiesen werden sollen. Mit dem Windpark, den die Verbandsgemeinde Rüdesheim derzeit plant, wäre die VG Rüdesheim allerdings bei mehr als vier Prozent. Wird der ländliche Raum wirklich, wie von Ihnen behauptet Frau Kirschner, zum ausgebeuteten Hinterhof der Städte?

Antwort:

Der Strom wird hauptsächlich in den Städten und in der Industrie benötigt. Der ländliche Raum soll liefern. Dabei geht es um eine Machtfrage. Auf dem Land leben weniger Menschen und damit auch weniger Wähler. Die akute Gefahr ist, dass die Schere zwischen den Lebensbedingungen im städtischen Raum und auf dem Land immer mehr auseinanderdriften; zum Nachteil des Landes. Der ländliche Raum wird zur Versorgungsfläche für die Metropolen während gleichzeitig der Naturschutz auf der Resterampe landet.

3. Ist das aber nicht der Preis, den wir zahlen müssen? Wer den Energiewechsel möchte, muss das auch im näheren Umfeld zulassen, oder nicht?

Antwort:

Wir müssen auf der Basis des Wissens unserer Zeit handeln, mit Vernunft und Augenmaß. Das bedeutet konkret eine „Grüne Transformation“ im soliden Energie-Mix. In einer sonnenreichen und eher windarmen Region, wie bei uns, ist das in erster Linie Solarenergie, wie zum Beispiel Fotovoltaik an und auf Gebäuden. Und es braucht durchgreifende Änderungen im Verkehr, Baurecht und in der Ernährung. Die ganze Wahrheit ist: wir stehen an einem Wendepunkt unseres Lebensstils. Nur Energiesparen und Konsumverzicht werden aktuell tatsächlich weiterhelfen. Das ist schmerzhaft, aber wer das nicht ehrlich ausspricht, betreibt Augenwischerei.

4. Neben der Möglichkeit in Sachen Energie unabhängiger vom Ausland und fossilen Brennstoffen zu werden, sind auch die Pacht-Einnahmen verlockend für die Kommunen. Sollte man diesen schönen Nebeneffekt mitnehmen oder verhindert er eine neutrale Abwägung der Vor- und Nachteile eines Windparks?

Antwort:

Ich wundere mich darüber, wie auf einmal mehrheitlich akzeptiert wird, dass eine subventionierte Industrie, die Windkraftindustrie, für die angemessene Infrastruktur in unseren Dörfern sorgen soll? Dabei ist es, laut Grundgesetz, Aufgabe des Staates für „Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse“ zu sorgen: in Stadt und Land. Wenn sich Bürgermeister und Gemeinderäte gezwungen sehen Windkraftanlagen zu bauen, um ihre Dörfer am Leben zu halten ist das für mich ein Versagen des Staates. Es geht also nicht – wie in der Frage unterstellt – um einen „schönen Nebeneffekt“. Dieser „Nebeneffekt“ ist der Knotenpunkt aller Entscheidungen. Es geht um Geld; um sehr viel Geld. Es stehen Versprechungen im Raum, die kein Gemeinderat „in den Wind schlagen“ kann. Wie soll da eine „neutrale Abwägung“ der Vor- und Nachteile möglich sein?

5. Klimaschutz ist nicht automatisch auch Naturschutz. Wälder generell, gerade der Soonwald, bestechen durch ihren eigenen ökologischen Nutzen etwa hinsichtlich der CO2-Bindung, der Grundwasserbildung oder auch des Artenreichtums. Wozu brauchen wir aufwendige Programme zum Erhalt der Biodiversität, wenn Waldflächen oder Teile von ihnen dann der Windkraft weichen müssen?

Antwort:

Man kann im Leben nicht alles haben: ein gesundes Ökystem Soonwald und darin industrielle Großanlagen. Beides ist nicht vereinbar. Der Wert des Waldes besteht eben nicht in einzelnen Bäumen, sondern aus einem interaktiven Organismus von mehr als 100.000 – mehrheitlich gefährdeten – Arten. Auch angesichts des bedrohlichen Wassermangels können wir auf gesunde Wälder nicht verzichten. Man kann einem Menschen auch nicht immer mehr Organe entnehmen und weiter hoffen, dass der Organismus alles verkraftet und nicht irgendwann zusammenklappt. Unsere Unwissenheit ist hier weit größer als unser Wissen. Das macht die geplanten Bauten so überaus brisant.

6. Frau Kirschner: Warum lehnen Sie den von der VG-Rüdesheim angedachten Windpark ab?

Antwort:

Ich kann keine Pläne ablehnen, die ich noch nicht kenne. Allerdings finde ich, was bekannt geworden ist, masslos..

Die Situation, die wir aktuell erlebend, basiert auf einer – schon einige Jahre alten – Fehlentscheidung unserer Landesregierung. Sie hat beschlossen, die Entscheidung über Windkraftanlagen auf die unterste Ebene der Verwaltung, den Gemeinderäten, zu übergeben. Für mich ist eine solch prinzipielle Gestaltungsaufgabe, wie die Verteilung der Windkraftanlagen im Lande, vergleichbar mit einer großen Gebietsreform. Sie gehört für mich eindeutig auf die höchste Ebene des Landes. Genauso wie mögliche Einnahmen allen Bürgern gehören – sie müssen es ja letztlich auch bezahlen. Bei einer landesweiten Planung hätte man Windkraftanlagen gebündelt in Industriegebieten, entlang der Autobahnen, auf Konversionsflächen etc. aufstellen können. Jetzt müssen wir uns mit mühsam vor Ort gefertigten Detailplänen und verstreuten Standorten rumquälen. Dazukommt Immer mehr Staat, immer mehr Vorgaben und Gängelung, immer weniger Naturschutz …

Was macht so ein Vorgehen mit den Menschen vor Ort? Das können wir gerade überall beobachten: Schwarz-Weiß-Denken, Rückzug und Resignation …

7. Herr Boxler: Warum befürworten die Grünen das Vorhaben hingegen?

8. Gegner eines Windparks in der Größenordnung fürchten auch um die touristischen Werte der Region? Sind diese wirklich bedroht bzw. kann hieraus wirklich eine Wertschöpfung erfolgen? Der Tourismus gerade im Soonwald wirkt immer noch sehr verschlafen.

Antwort:

Tourismus ist leider nur ein Aspekt der fantastischen Potentiale unserer Weltklasse-Landschaft. Meine Sorge ist, dass wir auf die großspurigen Versprechen einer überschätzen Technologie hereinfallen. Es wird ein böses Erwachen geben, wenn klar wird, dass die Versprechen nicht gehalten werden können. Wir sind bereit, für einen gefährlich einseitigen Technikglauben unser „Tafelsilber“ zu verkaufen. Dabei ist doch klar, dass auch erneuerbare Energien – genau wie andere Industrien – bei der Lösung von Problemen wieder neue Probleme schaffen. Wer da nicht genau hinschaut, ist naiv oder gierig. Anstatt unsere regionalen Werte zu opfern, sollten wir weiter vom Lande ein Biosphärenreservat fordern, das Wirtschaftsförderung im Einklang mit der Natur kontrolliert vorantreibt.

9. Auch im Blick auf benachbarte Regionen, die mehr Erfahrung mit Windrädern haben: Glauben Sie, dass die Bürger ausreichend über das Projekt informiert sind und die öffentliche Debatte dem Ausmaß des Projektes gerecht wird?

Antwort:

Eindeutig: Nein.

Ich habe mit vielen gesprochen. Die Menschen in unserer Region stehen unter dem Eindruck, dass sie nicht mehr viel ausrichten können, „dass eh alles gelaufen ist“. Doch noch stehen wir ganz am Anfang des Genehmigungsverfahren. Die Initiative Soonwald e. V. hat dazu eine Petition auf den Weg gebracht, die man unter www.soonwald.de unterzeichnen kann. Es gibt viele Möglichkeiten sich für eine nachhaltige Zukunft für unsere unverwechselbare Heimat zu engagieren. Packen wir es beherzt an!