Für einen zukunftsfesten Soonwald

Die Forstverwaltung im Soonwald und die Initiative Soonwald e.V. sind seit einem viertel Jahrhundert Partner in der Sorge um die Zukunft dieses überaus wertvollen Waldgebietes.

Ende letzten Jahres trafen sich die Forstamtsleiter Bernhard Frauenberger und Revierförster Klaus Kaiser mit den Vertretern der Initiative Soonwald e.V., dem Vorsitzenden Georg Kiltz und den Vorstandsmitglieder Monika Kirschner und Ingo Zeitz zu einem Ortstermin im Wald. Anlass war der Zustand des Waldes im zweiten Jahr extremer Temperaturen und Wassermangel. Ziel des Treffens war eine erneute Bestandsaufnahme der konkreten Situation im Soonwald und die Diskussion geeigneter Unterstützungsmaßnahmen für die Aktiven in der Initiative Soonwald e.V.

Erster Eindruck „vor Ort“
Nach einer kurzen Einführung zum Thema machte sich die Gruppe auf den Weg in den Wald. Zuerst besuchten wir die Waldwiese hinter dem „Forsthaus Alteburg“. Dabei wurde schnell klar: auch „unserem“ Wald geht es nicht gut. Viele Bäume haben schüttere Kronen und überall sieht man braune Blätter. Die Bäume im Soonwald sind geschwächt und können die veränderten Umweltfaktoren immer weniger verkraften. Einzelne Exemplare, vor allem Fichten sind offensichtlich schon abgestorben. Die Bäche im Soonwald, der Lametbach und selbst der wasserreiche Gräfenbach waren im letzten Sommer fast trockengefallen. Nur die Weiher im Soonwald hielten noch ihr Wasser.

Buchen im Bereich des „Forstamt Alteburg“ mit Trockenschäden

Ist die Fichte Geschichte?
Das alles bedeutet für die Forstwirtschaft herbe Einbußen. Die Fichten erreichen ihr optimales Erntealter nur noch selten und für das vorzeitig gefällte „Käferholz“ befinden sich die Verkaufserlöse im freien Fall. Das europaweite Überangebot drückt die Preise, obschon das Holz der befallenen Bäume dieselbe Qualität aufweist wie gesunde Bäume, da der Käfer immer nur zwischen Baum und Borke aktiv ist, nicht im Stamm.

Entfernen von Käferholz im Soonwald

Schüttere Kronen einer alten Buche: ein ernstes Krankheitssymtom.

Auch der Charakterbaum des Soonwaldes, die Buche leidet.

Soonwald ist Buchenwald! Deshalb gilt die besondere Sorge den Laubhölzern im Soonwald, insbesondere der Buche. Auch ihre tiefe Verwurzelung im Waldboden scheint sie in diesen Zeiten dramatischer Klimaentwicklung nicht mehr vor Austrocknung zu schützen. Sind einmal die Kronen so licht, dass man eine Taube darin erkennen kann, ist der Baum meist unheilbar geschädigt. Schon seit Jahren messen die Meteorologen einen schleichenden Temperaturanstieg. Doch seit dem letzten Sommer spitzt sich die Lage zu. Die Bäume konnten sich von der extremen Trockenheit 2018 nicht erholen, da auch 2019 der Regen ausblieb. Verschärft wird das Problem durch den zunehmenden Wasserentzug aus diversen Soonwaldbrunnen und dem dadurch sinkenden Grundwasserspiegel. Entscheidend wird nun das Jahr 2020 werden. Sollte sich auch dann der Temperaturanstieg und der Regenmangel fortsetzen, ist mit weiteren Ausfällen, auch in den an sich stabilen Altbeständen, zu rechnen. Das ist für den Soonwald besonders folgenschwer, da die Buche der „Strukturbaum“ des Soonwaldes ist. Buchen sind die typische angepasste Baumart unserer Region und kaum ersetzbar – schon gar nicht kurzfristig.

Ursachen der Waldkrise 2.0
Doch nicht nur die Klimaentwicklung greift die Lebenskräfte der Bäume im Soonwald an. Neben den Kohlenwasserstoffen, Schwermetallen und Ozon spielt auch der Stickstoffeintrag weiterhin eine bedrohliche Rolle. Stickstoff, chemisches Zeichen N, ist einerseits unverzichtbares Mittel in die Landwirtschaft andererseits lässt Überdüngung mit Stickstoff ganze Öko-Systeme, Gewässer wie Wälder, kippen. Schuld daran sind Stickstoffverbindungen, die aus der Landwirtschaft, von industriellen Abgasen und aus dem Kerosinablass der Flugzeuge stammen. So künstlich gedüngt wachsen die betroffenen Bäume wachsen schneller als normal. Darunter leidet ihr Immunsystem und der Baum wird anfälliger für Krankheiten und Schädlinge. In dieser Stresssituation im Wald wird leider oft die entscheidende Rolle der Jagd vernachlässigt. Ihr kommt in Zeiten der Krise eine besondere Bedeutung zu. Schon bisher sind die Wildbestände vielerorts zu hoch. Erwünschte Baumarten wie Buchen- und Eichenkeimlinge werden bevorzugt gefressen. So verschwindet die nächste Waldgeneration. Doch genau diese jungen Bäume werden dringend gebraucht, wann die älteren verloren gehen. Ohne sie kann der geschädigte Wald sich nicht mehr natürlich erneuern. Daher müssen die Wildbestände gerade jetzt heruntergefahren werden und/oder junge Kulturen besonders geschützt werden. Doch das ist aufwendig.

Damals wie heute: was ist anders, was ähnlich?

Schon einmal erschien das Schicksal des deutschen Waldes besiegelt.
1981 war das Thema die Luftverschmutzung. Doch das großflächige Waldsterben fiel aus. Die damaligen Proteste gegen das Waldsterben und für saubere Luft, Flüsse und eine menschengerechte Umwelt führten zu einer deutlichen Verbesserung der Luftqualität und zu einer Zunahme des Umweltbewusstseins. Gesetze wurden verschärft, der PKW-Katalysator eingeführt, verbleites Benzin verboten, Abgase auch Industrieanlagen besser gefiltert. Der saure Regen konnte so vermindert werden. Doch die Waldschadensberichte zeigen: der Wald ist seitdem angeschlagen. Im Gegensatz zu früher gibt es gegen die neuen Herausforderungen durch Klimawandel und Umweltbelastung keine Patentrezepte. Heute weiß niemand mehr wohin die Reise geht, denn auf die globalen Vorgänge haben wir nur wenig bis keinen Einfluss

Die Rolle des Geldes
Der Ruf nach Subventionen ist in dieser Krisensituation berechtigt. Wir müssen uns von der Vorstellung verabschieden, dass sich der Wert des Waldes auf seine Einnahmen aus Holzverkauf bemisst. Wald hat viel mehr Funktionen, deren Wert nur schwer finanziell einzustufen ist. Erste Modelle versuchen genau das herauszufinden und bewerten u.a. CO2-Speicherung, Sauerstoffproduktion, die Rolle im Wasserhaushalt, Erhalt und Förderung der Artenvielfalt, Lebensmittelerzeugung und nicht zuletzt die gesundheitlichen Effekte für den Menschen. Nur so wird kann der wahre Wert des Waldes auf eine sachliche Grundlage gestellt werden. Ist der Wald in Gefahr sind auch kostenintensive Rettungskonzepte gerechtfertigt. Doch damit sie auch umgesetzt werden können, braucht es in erster Linie Menschen, welche über den Sachverstand verfügen, die regional angepassten Maßnahmen auch professionell durchzuführen und langfristig zu begleiten. Reine Aufforstung greift viel zu kurz und führt im schlimmsten Falle nur zu neuen anfälligen Monokulturen. Wenn wir den Wald wirklich zukunftsfit machen wollen, braucht es in erster Linie viel mehr gut ausgebildete motivierte Forstleute. Bisher fehlt es in dieser Hinsicht an den angemessenen Gehältern und der gesellschaftlichen Wertschätzung. Das gilt auch für den Soonwald! Ein professionelles Krisenmanagement wird daran gemessen werden.

Was kann die Initiative Soonwald e.V. in dieser Situation tun?
Was uns bleibt sind die vielfältigen Möglichkeiten die Lebensnetze im Wald zu stärken. Die Kräfte der Selbsterneuerung liegen in der Vielfalt,
Artenvielfalt, der Altersstruktur und der Genvielfalt. Im Soonwald haben die Orkane Vivien und Wiebke 1990 die Zerstörung der Fichtenbestände schon im letzten Jahrtausend nahezu komplett erledigt. Seitdem setzt die Forstwirtschaft auf die Vielfalt der tiefwurzenden Laubbäume und auch einzelne Nadelbäume wie Weißtanne und Lärche. Die Douglasie ist bereits mit 5 bis 8% der Baumarten ausreichend vertreten. Bei den Laubbäumen stehen keine Exoten wie die Atlaszeder im Zentrum des Interesses, sondern robuste heimische Arten wie Hainbuchen, Elsbeere, Speierling, Ahorn und Linde. Alles in guter Mischung von Sorten und Alter. Die Hoffnung ist, dass mit einer solchen naturnahen Struktur der Wald die Chance bekommt, auf sehr unterschiedliche Stresssituationen zu reagieren. Es geht darum die Anpassungsfähigkeit der Natur zu stärken und den Wald klimastabil zu machen. Dabei ist dann auch die Fichte nicht am Ende. Als Solitär und in kleinen Gruppen hat auch die Fichte eine Zukunft, denn: „Die Mischung machts.“

Die Sonderrolle des Soonwaldes
Für unsere Gruppe aus Vertretern des Forstamts Soonwald und der Initiative Soonwald e.V. ging und geht es in erster Linie darum „unseren“ Wald, den Soonwald, möglichst zukunftsfest zu machen. Dabei helfen allgemeine Rezepte wenig, vielmehr kommt es darauf an, auf die sehr speziellen Bedingungen vor Ort zu reagieren. Die Krise im Wald zeigt sich in vielen Facetten und regionalen Unterschieden. Während im regenverwöhnten Oberbayern die „Welt noch in Ordnung“ scheint, müssen im Osten und Westen des Landes großflächig Fichten abgeholzt werden. Auch im Soonwald ist am ehemaligen Flughafen Pferdsfeld schon Lager mit „Käferholz“ (Foto) eigerichtet worden. Dennoch trifft die Krise der Flachwurzler den Soonwald weniger schwer als andere Regionen, denn er besteht seit den großen Orkanen nur noch zu gut 20% aus Nadelholz. Bundesweit sind es über 40%. Außerdem sind unsere alten Buchen und Eichen schon lange an jährliche Niederschläge mit 450 und 500 Millimeter gewöhnt. Die mittlere jährliche Niederschlagshöhe beträgt 789 mm bzw. 819 mm. Ihre Genetik ist an diese Situation über die Jahrhunderte angepasst. Das macht den Soonwald zu einem interessanten Genpool für hitzetolerantes Saatgut!

Schicksalshaft für den Soonwald waren die großen Orkane „Vivian“ und „Wiebke“ von 1990. Damals entschied die daraufhin einberufene „Grüne Konferenz“ im Forstamt Entenpfuhl (heute Forstamt Soonwald) unter unserem ehemaligen Ersten Vorsitzenden, Forstamtsleiter Hansjochen Staege, sich für eine Paradigmenwechsel im Soonwald. Die Zukunft sollte dem naturnahen Mischwald gelten. Entsprechend wurde der Waldumbau vor allem mit Pflanzungen von Buchen- und Eichen voranbetrieben. Große Windwurfflächen mussten damals aber auch komplett der Naturverjüngung überlassen werden. Das Ergebnis heute, fast 30 Jahren später, ist ein junger dynamischer Wald, der recht gut für die Zukunft gerüstet scheint. Noch dominiert die Birke, früher als „Unkraut des Waldes“ verschrien, dient sie heute als neuer „Strukturbaum“ auf dem Weg hin zum stabilen Buchenmischwald. Spezielle Versuche der Soonwaldförster zeigen inzwischen ansehnliche Erfolge, so u.a. die sogenannte „Buchenvorausverjüngung“ bei der alte Fichtenbestände mit Inseln, den „Klumpen“, von jungen Buchen „geimpft“ werden, Neupflanzungen von klimafesten Weißtannen in der Naturverjüngung, Verbiss-Schutz durch zahllose Holzgatter und vor allem auch ein professionelles Jagdkonzept. Auf Grund dieses dreissigjährigen Vorsprungs an Erfahrungen eignet sich der Soonwald als Vorbild für andere Regionen Deutschlands. Er könnte die „Blaupause“ sein für den Umgang mit großen Kahlflächen und anderen unerwünschten Kalamitäten.

Aktiv im Wald: die Freiwilligen der Initiative Soonwald e.V.
Die Anstrengungen für einen zukunftsfesten Wald müssen zeitnah deutlich verstärkt werden. Der Weg dahin ist weniger ein einzige Großmaßnahme als vielmehr viele einzelne Schritte, die gerade im Soonwald schon lange verfolgt werden. Die Frage war und ist, was können wir als NGO-Gruppe dazu beitragen?

Unterwegs im Wald haben wir uns für ein Partnerschaftsprojekt mit dem Forstamt Soonwald entschieden. Es handelt sich um die Sicherung der Naturverjüngung auf einer Wiederaufforstungsfläche in der Abteilung 212 am Landrichtweg gegen Wildverbiss. Der Arbeitseinsatz fand am 4. Dezember 2019 statt. Begrüßt wurden wir von Herrn Frauenberger am Forstamt, der uns den langfristigen Sinn der Einzäunungsmaßnahme erläuterte. Dann ging es in den Wald. Mit fachlicher Begleitung von Revierförster Klaus Kaiser und zwei Praktikantinnen des Forstamtes e.V. wurden an der ausgewählten Partnerschaftsfläche Holzgatter verteilt, aufgesetzt und mit Rödeldraht befestigt. Die Aktion dient dem Verbissschutz wertvoller Laubhölzer im „Kindergartenstadium“ und dem langfristigen Studium zur Entwicklung der Fläche. Als Alternative zu einem Zaun aus Drahtgeflecht haben wir sogenannte „Hordengatter“ aus im Wald wachsenden Holz hergestellt. Diese Holzgatter verrotten ohne Abbau und Entsorgung ganz natürlich. Und für das Wild besteht so nur eine sehr geringe Verletzungsgefahr. Sind die Gatter verrottet, sind die geschützten Bäume groß und stark genug, um Wildverbiss zu verkraften.

Nach getaner Arbeit gab ein zünftiges Picknick am Feuer mit Wildbratwürstchen vom Forstamt, Kaffee und Gebäck von Marianne Bauer und Wein vom Weingut unseres Vorsitzenden Georg KIltz. Im Frühsommer werden in einer weiteren Pflanzaktion wertvolle einheimische Hölzer wie Eichen und Buchen, aber auch Bergulmen, Moorbirken und Weißtannen in die Fläche gesetzt werden. Auch ist geplant, diese Maßnahme in einem geeigneten Gemeindewald zu wiederholen. So scheinen Teile der Liegenschaften der Gemeinde Tiefenbach „Märkerei Obertiefenbach“ für Gatter und Neupflanzungen gut geeignet zu sein. Wir wissen nicht, was kommen wird, aber in „unserem“ Hordengatter wächst eine Waldgeneration heran, die nach allem was wir wissen. bestens geschützt sein wird: ein klimastabiler neuer Wald, gleichzeitig CO2-Senke und Sauerstoffproduzent für unsere Zukunft.