Burgruine Koppenstein

Burgruine Koppenstein


„Sagenhafter“ Koppenstein
Hinter Gehlweiler grüßt, von einem Vorsprung des Soonwaldes, der Bergfried von der Burg Koppenstein. Sagen und Legenden umschweben ihn; geschichtliche Reminiszensen werden lebendig. Erinnerungen an bedeutende Kapitel der Hunsrücker Vergangenheit, an die einst mächtigen Grafen von Sponheim, an die Schmittburger Herren und an das Koppensteiner Gretchen, die letzte Bewohnerin der bis auf den Turm verfallenen Burg.
Die letzte Bewohnerin der Burgruine
Am 8. August 1819, besuchte Peter Josef Rottmann, der Hunsrücker Mundartdichter, die Ruine Koppenstein und traf dort eine alte Frau, die in einer kleinen von der Schmidtburger Herrschaft auf Schloß Gemünden errichteten Hütte wohnte, ihr Name war Maria Margaretha Rosenstein. Sie erzählte ihm ihre Lebensgeschichte, die Rottmann viele Jahre später zu einem langen, viele Verse umfassenden, Gedicht formte, das nun neben der Prosaerzählung vom „Koppensteiner Gretchen“ als bittersüße Liebesgeschichte stand. Die entscheidenden Verse über die Wohnung und die sich um die Person rankende Sage lauten:
„Nau hoot die gnärig Herrschaft
Et annerscht nitt gedohn,
Die Jumfer muß en Heische,
En Bett enuffer hohn.
Datt hott-se innverwilligt,
Aag Brod, datt nimmt se an,
Unn micht en Blumegärtche,
An´t Heische hinne dran.
Unn in dem kläne Hittche
Do kunnt m´r lehre drinn,
Et kinnt in aarem Stiebche
Aag rähn unn Oordning sinn.
Unn in de ganze Gehend
Do weerd et ball bekannt,
Unn ohwerall die Jumfer
Vun Koppelstähn genannt.
Unn jerer meegt-se kenne;
Do ziehe Junk unn Alt
An Sunn- unn Feierdahe
Noh´m Koppelstähner Wald.
Unn steihe uff die Felse,
Wo hoch der Thore steht,
Wo freindelich die Jumfer
De Leit entgehe geht.“
Auf dem Friedhof von Kellenbach fand die letzte Koppensteinerin ihre Ruhestätte.
Die Jungfrau von Koppenstein
oder Irmgard von Koppenstein ist die andere bekannte Frauengestalt, deren Namen mit der Burg verbunden ist. Von ihrer tragischen Geschichte erzählt die folgende Sage:
Im Anfang des 14. Jahrhunderts lebte auf dem Koppenstein der Ritter Johann von Koppenstein. Er war frühzeitig gealtert, und seit man seine liebe Hausfrau zu Grabe getragen hatte, war seine Kraft gebrochen. Sein Stolz und seine einzige Freude waren seine beiden Kinder Johann und Irmgard. – Johann, das Ebenbild des Vaters, hatte sich schon früh unter seinen Standesgenossen Ansehen erworben. Irmgard glich in allen ihren Zügen der verstorbenen Mutter, deren Schönheit und Güte in der ganzen Gegend sprichwörtlich waren. Mancher Ritter hielt auf Koppenstein Einkehr, um Irmgard zu freien. Doch sie wies alle Anträge zurück. Ihr Herz gehörte dem Freunde ihres Bruders, dem jungen Ritter Gisbert von der Wildburg. Der Vater wußte von der Tochter Liebe und war glücklich darüber.
Auf einem Bankett, das von einem der Sponheimer Grafen auf der Kauzenburg gegeben wurde, hatte ein Ritter von Kallenfels Irmgard kennengelernt. Sein Herz entflammte für die Jungfrau, obwohl er erfahren hatte, daß sie Gisberts Verlobte war. Trutzend vor Macht, glaubte er den Wildburger ausstechen zu können.
Einige Tage nach der Festlichkeit erschien der Kallenfelser auf dem Koppenstein. Junker Johann war mit einigen Mannen in den Soon geritten, um das edle Waidwerk zu pflegen. Irmgard war noch nicht von einem Besuch bei ihrer Base auf Burg Sponheim zurück. Der Kallenfelser trat in das Gemach, in dem der alte Koppensteiner in seinem Lehnsessel saß. Nachdem er einige Becher feurigen Monzinger Weines geleert hatte, erklärte er dem alten Herrn mit dürren Worten, daß er Irmgard zum Weibe begehre. Dabei betonte er, es müsse doch eine besondere Ehre für einen aus dem „Bastardstamme“ der Koppensteiner sein, wenn ein Kallenfelser um die Hand seiner Tochter anhalte. Aufs tiefste gekränkt, wies der Koppensteiner die verletzenden Worte des Kallenfelsers zurück und sagte dann, daß Irmgard Gisberts Braut sei. Da schwollen dem Kallenfelser die Adern, seine Augen rollten, und er schrie: „Gut, gebt sie dem Jüngelchen aus dem armseligen Waldnest. Ich wünsche Euch Glück dazu. Doch wisset, ein Kallenfelser läßt sich nicht abweisen. Nur Eure weißen Haare schützen Euch, sonst hätte ich die Beleidigung auf der Stelle gerächt!“ – Nach diesen Worten stürmte er aus dem Gemach und in wenigen Minuten sah man ihn auf seinem Rosse durchs Burgtor den Berg hinunter rasen.
Um den Landfrieden zu wahren, verschwieg der Ritter seinen Kindern das Vorgefallene. Er glaubte, der Grimm des Kallenfelsers würde sich legen, doch sehnte er den Hochzeitstag herbei. – Der Tag war schon bestimmt, aber ehe der Herzenswunsch des alten Mannes in Erfüllung ging, rief ihn der Tod ab. Sitte und Herkommen verlangten, daß die Hochzeit verschoben wurde.
Der Kallenfelser hatte Irmgard jedoch nicht vergessen. Er hatte geschworen, falls sie nicht freiwillig sein Weib werde, wolle er sie mit Gewalt dazu machen. – An einem Herbstmorgen – frühe vor Tag – rückte er mit einer Reihe von Mannen gegen den Koppenstein. Im Walddickicht versteckten sie sich. Über der Burg lagt tiefer Frieden. Da öffnete sich das Burgtor. Junker Johann ritt mit einigen Knappen heraus. Sein leichter Anzug – ohne Panzer – ließ darauf schließen, daß er zum Besuche einer benachbarten Burg reite. Nichts konnte dem Kallenfelser gelegener kommen. Er und seine Mannen malten sich ihre Gesichter schwarz. Vorsichtig rückte er vor. Er sah, daß die Zugbrücke unten war. Ein paar Knappen standen plaudernd umher. Plötzlich stürzte er mit seinen Leuten aus dem Dickicht hervor und jagte mit ihnen den Burgweg hinauf. Ehe die Versammelten wußten, was los war, war er schon mit seinem fliegenden Rosse über der Zugbrücke, und der Knappe, der sie eben in die Höhe winden wollte, lag von einem Schwerthieb getroffen am Boden. Die wenigen Mannen wurden überrannt und geknebelt. – „Wo ist das Fräulein?“ war die erste Frage des Unholds. Doch er brauchte keine Antwort abzuwarten. Irmgard hatte den Lärm auf dem Burghofe gehört und war ans Fenster des Frauengemachs geeilt. Dort sah er sie stehen. Ein Blick ließ Irmgard trotz des geschwärzten Gesichts den Kallenfelser erkennen. Eine furchtbare Ahnung ergriff sie, – und was sie zu befürchten hatte, stand vor ihrer Seele. Todesangst durchrieselte ihre Glieder. – Doch ein Entschluß stand bei ihr fest: lieber wollte sie sich selbst den Tod geben, als diesem Wüstling in die Hände zu fallen. Wie ein gescheuchtes Reh flüchtete sie aus dem Frauengemach die Stiegen des Wartturmes hinauf. Schon hörte sie hinter sich die Tritte des Gefürchteten. Bis hoch auf den Turm folgte er ihr. – In ihrer Verzweiflung schwang sich Irmgrard auf die Steinbrustwehr des Turmes. „Zurück“, rief sie, „oder ich stürze mich hinab und sterbe rein.“ – „Nicht doch, Liebchen, tu´ das nicht, vergiß das Büblein von der Wildburg; komm in meine Arme, du sollst es gut bei mir haben“, entgegnete der Kallenfelser. Jetzt trat er näher, eben wollte er sie an ihrem Gewand erfassen, – da rief sie: „Heilige Jungfrau, erbarm dich mein!“ – und stürzte von der schwindelnden Höhe in die ungeheure Tiefe.
Der Kallenfelser stand starr da. Das Blut stockte in seinen Adern. – dann beugte er sich über die Mauer hinab, um zu schauen, wo das Mädchen zerschmettert in den Felsen liege. – Da schlich der Turmwart die Stiege herauf. Plötzlich faßte er des Kallenfelser Beine und hob ihn empor. Der Ritter wollte sich an dem Mauergesimse halten, aber schon hatte der Körper das Übergewicht gewonnen. Er stürzte hinab wie die Reine, die dort unten lag.
In der Burg gab´s Lärm. Gisbert war eben gekommen, um seine Braut zu besuchen. Die Knappen des Kallenfelsers flohen, Irmgard war tot – Gisberts Glück vernichtet. – Er wollte nichts mehr, er wollte nur beten für die Seele, die er so treu geliebt. Mit der Welt hatte er abgeschlossen. Er wurde Bruder im Kloster Sponheim. – Schon nach wenigen Jahren fand auch er im Grabe Ruhe.