„Fake News von 1913: die Schinderhanneshöhle“
Welcher Name kommt einem zuerst in den Sinn, wenn man an den Soonwald denkt? Ziemlich sicher der „Schinderhannes“. Und welche Sehenswürdigkeit fällt einem als Erstes zum berühmten Räuberhauptmann ein? Wahrscheinlich die Schinderhanneshöhle. Der Hinweis auf diesen Schlupfwinkel der Bande fehlt auf kaum einer deutschen Freizeitkarte. Aber wenn man dieses legendäre Versteck vor Ort besichtigen möchte, wird es schwierig. Es gibt so gut wie keine Hinweisschilder, die dorthin führen – es sei denn, man ist schon fast am Ziel.
Lieblingsort im Verborgenen
In anderen, touristisch stärker erschlossenen Wäldern gibt es an jeder Kreuzung Infopunkte, Hinweisschilder und Imbissbuden. Von dieser Entwicklung ist der Soonwald bisher verschont geblieben. Heute profitieren die Gäste des Soonwaldes von diesem „Rückstand“. Der Soonwald hat sich seinen Zauber und auch das eine oder andere Geheimnis bewahrt- So reizvoll es sein kann, bisher Unbekanntes zu entdecken, so irritierend ist es dann doch, dass die Schinderhanneshöhle so schwer zu finden ist. Hat man es mit unserer Wegbeschreibung (siehe unten) erst einmal geschafft, den gesuchten Ort zu finden, erwarten den neugierigen Wanderer neue Rätsel. Die berühmte Räuber-Höhle entpuppt sich als kleines unscheinbares Loch in einer hochaufragenden Felswand, in der kaum ein ausgewachsener Mensch Platz findet; geschweige denn eine ganze Räuber-Bande mitsamt ihrer Beute. Es könnte sein, dass es sich gar nicht um ein den verborgenen Verbrecher-Schlupfwinkel handelt, sondern vielmehr um einen Versuchsstollen, in dem vielleicht mal nach Schiefer, Erzen oder Metallen gesucht worden ist. Solche „Mutungsstollen“ finden sich im Soonwald einige. Doch wie konnte diese kleine Grotte so eine Berühmtheit erlangen?

Ein Erbe der „Curcolonie Waldfriede“
Wahrscheinlich geht die Geschichte auf den Seesbacher Hotelier Hermann Müller zurück, der Anfang des letzten Jahrhunderts händeringend nach attraktiven Ausflugszielen für die Gäste seines Kurhauses „Waldfriede“ suchte. In einer Hotelbroschüre mit dem Titel „Wanderungen von Waldfriede aus“ lobte er den Mini-Stollen kurzerhand als „Schinderhanneshöhle“ aus. Die sogenannte Schinderhanneshöhle im verwilderten Hoxbachtal enttäuscht zwar in ihrer Größe, doch der Platz, an dem sich das angebliche Räuber-Versteck befindet, ist noch heute jeden Umweg wert. Schon Müllers Vorgänger hatte sich um geeignete Wanderziele für die verwöhnten Besucher bemüht. Die Trifthütte gab es damals schon, aber der Alteburgturm war erst ein paar Jahre vorher errichtet worden. Bei Kurkonzerten im Hotel wurde damals für den Bau auf der nahen Soonwaldhöhe gesammelt. Solche Bemühungen waren für den geheimnisvollen Stollen nicht nötig. Er war einfach da und konnte leicht umgewidmet werden. Dieser Hintergrund des Namens „Schinderhanneshöhle“ als fiktives Wanderziel belegt eindrucksvoll, dass gut erfundene Geschichten oft langlebiger sind als die Wahrheit.

Ein Held mit vielen Fragezeichen
Wer war eigentlich dieser Held so zahlreicher Phantasiegebilde? Ein deutscher Robin Hood oder ein gemeiner Mörder? Johannes Bückler, genannt „Schinderhannes“, verübte um 1800 herum, zur Zeit der französischen Besatzung, mehr als 200, teils schwere, Raubüberfälle. Im November 1803 vollstreckten die bei der Bevölkerung ungeliebten Franzosen in Mainz den Tod des Schinderhannes durch die Guillotine. Der sogenannte „Räuberhauptmann“ wurde nur 25 Jahre alt. Um sein kurzes wildes Leben ranken sich seither zahllose Geschichten, angesiedelt zwischen Mythos und Verklärung. Gaststätten, Wanderwege, Schnäpse, Bier und Brot tragen bis heute seinen Namen. Doch die bekannteste der zweifelhaften Räuber-Attraktionen ist bis heute die sogenannte „Schinderhannes-Höhle“.

Kinder brauchen Wildnis
Für einen Besuch der Höhle eignen sich am besten Tage unter der Woche. Dann ist man dort mit ziemlicher Sicherheit allein. Es gibt eine steile Felswand zum Klettern, einen ungezähmten Bach mit großen Wackersteinen zum Stauen, eine verwunschene Wiese, jede Menge Unterholz und natürlich auch eine Feuerstelle. Ein Ausflug zur Schinderhanneshöhle ist ein unschlagbares Familienprogramm und ein Abenteuerspielplatz für Kinder aller Altersklassen. Proviant, Feuerzeug, eine Taschenlampe zur Erkundung des Stollens – besser noch eine Stirnlampe – nicht vergessen! Hier ist auch der perfekte Ort, sich eine der zahlreichen Geschichten vom Schinderhannes zu erzählen. Auf die Wahrheit kommt es dabei nicht an … (Auch nachzulesen in dem empfehlenswerten Führer: „Auf den Spuren einer verborgenen Welt: Sagenhafter Soonwald“).

So kommt man hin:
Vom Weinort Monzingen an der B 41 geht es auf der L 229 in Richtung Langenthal und weiter auf der K 17 zur Abzweigung Richtung Waldfriede. Nach gut einem Kilometer findet sich auf der rechten Seite das ehemalige Gasthaus „Hoxmühle“. Etwas oberhalb kann man am Straßenrand einen geeigneten Parkplatz suchen finden. Zu Fuß dann gut hundert Meter weiter rechts auf den Waldweg einbiegen, der nach 50 Metern über den Gaulsbach führt. An einem See vorbei kommt man nach etwa zwei Kilometern zur Schinderhanneshöhle.
Von Norden kommend, von der L 230, fährt man an der Wüstung Kallweiler in Richtung Waldfriede, Seesbach. Dann die erste Straße links und nach gut 200 Metern wieder links auf die K 17 abbiegen. Der Straße gut zwei Kilometer lang folgen bis auf der linken Seite das ehemalige Gasthaus „Hoxmühle“ erscheint. Parkplatz suchen und links oberhalb der Gaststätte dem Waldweg, dem „Willigisweg“, bachaufwärts bis zur Schinderhanneshöhle folgen.
Wir sehen uns im Wald! Ihre Initiative Soonwald e.V.

Geografische Lage: 49°51´16´´N 7°34´25,7´´O
Von Monika Kirschner