„Pack die Badehose ein“: Badefreuden im Soonwald
Es war im Mai 1951 als ein siebenjähriges Mädchen mit dem Lied „Pack die Badehose“ seinen ersten Bühnenauftritt hatte. Danach stand der weiteren Karriere der Kleinen als Schlagersängerin nichts mehr im Wege. Cornelia Froboess, „Conny“ genannt, wurde der erste Kinderstar der Nachkriegszeit und ihr erstes Lied kennt heute noch nahezu jeder. In Zeiten großer Verunsicherungen kann man schon mal Sehnsucht nach dieser Aufbruchstimmung bekommen. Also warum nicht einmal eine kleine Zeitreise in die Sommerfreuden der Wirtschaftswunderjahre wagen? Doch wie passt das mit „unserem“ Soonwald zusammen? Weit besser als Sie denken!
Es grenzt schon fast an ein kleines Wunder, dass gerade im Soonwald so viele Freibäder aus den dreißiger Jahren des letzten Jahrtausends überlebt haben. Liegt das an dem wunderbaren Wasser aus einem der vielen Soonwaldbäche, an den bewegungsfreudigen Soonwäldern oder an ihrem Gemeinschaftssinn? Auffällig ist jedenfalls, dass sich die Schwimmbäder nicht über einen Kamm scheren lassen und jede Badegelegenheit in den letzten Jahrzehnten ihren ganz eigenen Charakter entwickelt hat. Im Kampf ums Überleben haben sie alle ihr eigenes Profil entwickelt. Bei leeren Gemeindekassen waren immer neue und immer anspruchsvollere Umbauten nötig, um Sicherheit zu gewährleisten und ein wenig wärmer sollte das Wasser auch sein. Übrig geblieben ein paar kleine Freibäder in verwunschenen Bachtälern, Naturbäder und auch ein Waldsee ist dabei. Das Geheimrezept sind nicht etwa drastisch erhöhte Eintrittsgelder, denn die erinnern auch noch an die Nachkriegszeit. Die Zauberformel heißt „Ehrenamt“. Es ist bekannt, dass gerade in kleinen Dörfern freiwilliges Engagement noch eine große Rolle spielt und glücklicherweise ist Rheinland-Pfalz damit reich gesegnet.
Wer also Lust auf Badeabenteuer im Retro-Stil hat, in erfrischendes Waldwasser eintauchen will um anschließend im charmanten Ambiente der sechziger Jahre unter netten Menschen wieder aufzutauchen, dem empfehlen wir einen Besuch in den Waldschwimmbädern. Unsere heimlichen Favoriten sind die Bäder in Winterbach und Argenschwang. (Infos: siehe Kasten). Es mag sich verrückt anhören, von Bad Kreuznach aus zum Baden in den Soonwald zu fahren, aber versprochen: es wird am Ende zu einem unvergesslichen Erlebnis werden!
Bei einem Ausflug in den Soonwald geht es nie nur um das Ziel. Der Genuss beginnt bereits, wenn man das vertraute Zuhause verlässt und sich auf den engen Straßen im Wald wiederfindet. Das gilt auch für diese sommerliche Spazierfahrt. Leider gibt es keine Kleinbahn mehr und auch wird es mit dem Bus schwierig. Also bleibt nur das beliebte „Autowandern“, vollbepackt mit „Kind und Kegel“, wie es in den sechziger Jahren genannt wurde.
Die Reise führt zunächst über die B 41 bis zur Abfahrt Waldböckelheim und von da aus weiter durch das schöne Soonwalddörfchen Bockenau nach Winterburg.
Diese Route hat für Ausflügler aus Bad Kreuznach in den Soonwald eine lange Tradition. Schon seit weit über 100 Jahren zieht es die Kreuznacher „aus der müden Luft“ ihrer Stadt in die prickelnde sauerstoffreiche Luft des nahen Waldes. Vor allem die Kurgäste im 19. Jahrhundert, schätzten die Sommerfrische im Grünen. Bei gutem Wetter fuhr man früher in Pferdekutschen hinaus. Als ab Anfang der 1890ziger Jahre ein wahrer Boom an Kleinbahnbauten einsetzte, waren auch die Kreuznacher dabei. Sie bauten eine Schmalspurbahn, auch gerne „Klickerbahn“ genannt, (Spurweite von 750 mm) für Personen- und Güterverkehr mit zwei Streckenführungen: Bad Kreuznach–Winterburg mit einer Länge von 20,5 Kilometern und Bad Kreuznach–Wallhausen mit 8,9 Kilometern. Die Fahrzeit von Bad Kreuznach nach Winterburg betrug etwa eine Stunde, nach Wallhausen etwa 30 Minuten. Schon 1896 wurde die Linie von Kreuznach nach Winterburg ihrer Bestimmung übergeben. Als Endstation war eigentlich die kleine „Curcolonie Waldfriede“ vorgesehen. Doch der Weiterbau der Bahnlinie ins Herz des Soonwaldes scheiterte damals am Protest der Winterburger Bürger. Zu Betriebsbeginn gab es zunächst nur zwei Lokomotiven. Es wurden aber nie mehr als neun Zugmaschinen. 1920 wurde die letzte Dampflok angeschafft. Wer die erste Anfahrt nach Argenschwang wählt, hat gleich am Ortseingang von Bockenau die Chance diese sogenannte „Lok 1“ zu besichtigen, genauso wie einen alten Lokschuppen des Bahnhof Winterburg. Die „Lok 1“ hatte eine Leistung von 180 PS und erreichte eine Geschwindigkeit von 28 Stundenkilometern. Steht man direkt vor dem alten Dampfross, kommt man nicht auf die Idee von einer „Kleinbahn“ zu sprechen, so eindrucksvoll präsentiert sich die Zugmaschine noch heute. Mit der rasanten Entwicklung des Autoverkehrs und vor allem dem flexiblen Busverkehr konnten die „Dampfmaschinen“ irgendwann nicht mehr mithalten. Im Juli 1936 kam das Ende der Kleinbahn. Sie wurde stillgelegt. Eigentlich schade! Für die Liebhaber von „Oldtimern“ neuerer Art hat Bockenau noch weitere Besonderheit zu bieten; einen „Oldtimer-Stammtisch“, der regelmäßig zu kenntnisreichen „Benzingesprächen“ zusammenkommt und die „Oldtimerfachwerkstatt“ von Heiko Will“.
Auch gute Landmetzgereien und Landgasthöfe sind leider inzwischen zu Raritäten geworden. Bockenau hat noch beides. Da ist die Familie Scholl. Sie betreibt im drei-Generationen-Familienbetrieb seit 1960 eine „Landmetzgerei“, die diesem Namen Ehre macht. Chef Thomas Scholl geht selbst zur Jagd und kennt sich mit Wild aus. Aber auch die anderen Spezialitäten wie „Gefüllte Klöße“ und die „Hausmacher Leberwurst“ sind nicht zu verachten.
Glück hat Bockenau auch mit einem gemütlichen Traditionsgasthaus. Wenn im Sommer der Biergarten geöffnet ist, dann dauert es nicht lange, bis aus Zufallstreffen anregende Bekanntschaften werden. Selbstbewusst heißt es von den beliebten Gastronomen des Gasthauses Dockendorff auf ihrer website: „Wer schon einmal beim „Adam“ war, und Beates Schnitzel gegessen hat, weiß für was unser Haus steht.“ Recht haben sie! Von Bockenau geht es weiter über die „Bockenauer Schweiz“ hoch in den Soonwald nach Winterburg. Ein Hinweisschild auf dem alten Schienenverlauf erinnert noch an die alte Endstation der Kleinbahn.
In Winterburg muss man sich entscheiden, wie die Tour weitergehen soll. Gehört man zu den echten Naturburschen wie Luis Trenker, die sich am liebsten aus dem Rucksack ernähren, im Freien übernachten würden, eine warme Dusche verabscheuen und jede echte Naturbegegnung mit einem lauten „Juchhu“ begrüßen? Dann sollten Sie nach Winterbach weiterfahren. Dort freut sich Ortsbürgermeister Werner Rebenich über die Freunde des Authentischen, die auch schon mal extra aus Frankfurt oder Wiesbaden anreisen. Das Schwimmbad von Winterbach liegt in der Nähe eines eindrucksvollen Quarzitfelsen, verwunschen in einer Waldnische. Es öffnet immer erst als letztes im Jahr, wenn das Wasser des Ellerbachs ein wenig von der Sonne vorgewärmt ist und die Plusgrade erreicht hat. Das ist meistens an Pfingsten der Fall. Massentourismus ist daher hier nicht zu befürchten. Geliebt wird es gerade deswegen. Auch dieses Freibad ist nur durch den ehrenamtlichen Eifer seiner Fangemeinde überlebensfähig. Es gibt selbstverständlich eine Badeaufsicht, eine professionelle Schwimmbadreinigung und auch ein Kiosk. Fast 70 Helferinnen und Helfer stellen das Angebot immer wieder sicher. Das sind immerhin rund 12% der Einwohner von Winterbach. Ohne sie gehörte das Schwimmbad längst der Vergangenheit an!
Sind Sie jedoch der eher der gemütliche Typ, der nichts dagegen hat, wenn das Wasser etwas vorgewärmt ist und auch gutes Essen und Trinken in lustiger Runde schätzt, vielleicht sogar ein Glas Wein oder ein Stück Kuchen, dann sollten Sie über Allenfeld in Richtung Argenschwang weiterfahren. Gleich am Ortseingang findet sich auf der linken Seite das Schwimmbad, unschwer zu erkennen an den vielen Autos, die in der Nähe parken. Eine kleine Brücke führt über den das Wasser spendenden Gräfenbach direkt ins Innere der Badeanstalt.
Der Gräfenbach entspringt, ähnlich wie der Ellerbach, hoch oben im Soonwald, auf einer Höhe von knapp 600 Metern, in der Nähe des Berggipfels „Ellerspring“. Auf seinem Weg nach Argenschwang passiert der Gräfenbach dann das Naturschutzgebiet „Glashütter Wiesen“ und den Flecken „Gräfenbacher Hütte“, eine historische Eisenhütte aus den Anfängen des 18. Jahrhunderts. Hier wurde aus oberirdisch abgebauten Erzen Roheisen gewonnen. Das technische Zentrum der alten Produktionsstätte, ein Hochofen aus dem Jahr 1841 mit den bogenförmigen Resten der Gichtbrücke ist noch gut zu erkennen. Nach diesem unterschätzen Denkmal der deutschen Industriegeschichte erreicht der Gräfenbach das ehemalige Waldbauerndörfchen Argenschwang. Es ist die erste größere Siedlung am Bachlauf. Bis hierher finden sich vor allem Weiden und Erlenbrüche an seinem Ufer und die Wasserqualität ist so hoch, dass die empfindlichen Flusskrebse sich in seinem Bett sehr wohlfühlen.
Das gute Wasser des Soonwaldes ist wie ein Lottogewinn für das erste Freibad an seinem Ufer. Gleich am Eingang auf einem großen Schild erfährt man, wem wir die zauberhafte kleine Badeanstalt zu verdanken haben, dem „Schwimmbad-Förderverein Argenschwang e.V.“. Es sind die Ehrenamtler, die das kostenintensive Schwimmbad in die Zukunft gerettet haben. Andere haben es nicht geschafft. Was ist hier das Erfolgsrezept?
Argenschwang ist ein Bach-Dorf. Es zieht sich am Lauf des Flüsschens entlang und hat keine deutlich erkennbare Mitte.
Knapp 350 Menschen leben hier. Einwohner. 400 Einwohner, so sagt man, sind die kritische Grenze. Darunter wird es schwierig die Infrastruktur aufrecht zu halten. Das gilt auch für Argenschwang. Es gibt zwar ein Gemeindehaus mit Jugendraum und auch einen Bolz- und Grillplatz. Aber da ist kein Bäcker mehr, schon gar kein Metzger und selbst eine Kneipe oder gar ein Dorfplatz mit Linde und Bank ist nicht zu finden. Dafür gibt es eine Burgruine der Grafen von Sponheim aus dem 12. Jahrhundert, die Rosenburg, in der man im restaurierten Torhaus sehr romantisch heiraten kann. Doch wie oft braucht man im Leben ein Trauzimmer? Möglichst nur einmal.
Wie leben die Argenschwanger mit dieser Situation? Sie haben es geschafft, langsam, aber sicher ihr eigenes passgenaues Erfolgsmuster zu entwickeln. Über all die Jahrzehnte haben sie es verstanden, aus der Not eine Tugend zu machen oder wie die Amerikaner sagen „Wenn dir das Leben eine Zitrone gibt, mach Limonade draus“. Es ist die einmalige Idee einer „Piazza mit Schwimmgelegenheit“ entwickelt. Kompliment!
Über all die Jahrzehnte hat der Badeplatz das übernommen, was fehlt. Das „Bad am Bach“ ist alles in Einem, Dorfplatz mit Wiese und schattenspendenden Bäumen, ist Gasthaus und Spielplatz, ein Treff für Jung und Alt zum „majen“, wie die Soonwälder sagen. Das ist nichts weniger als sich mit den Nachbarn Geschichten erzählen, wie früher am Spinnrad oder am Herdfeuer. Dafür gibt es heute eine Grillhütte, einen Kiosk, warmes Essen, am Donnerstagabend einen Dämmerschoppen und immer wieder die begehrten Themenfeste. Kurzum, das Freibad ist der Ort, an dem sich die Dorfbewohner am liebsten den ganzen Tag aufhalten. Und schwimmen kann man dann auch noch! Die beliebte Ortsbürgermeisterin Petra Ender und Vorsitzende des „Förderverein für das Schwimmbad Argenschwang“ schätzt, dass etwa ein Drittel der Gäste gar nicht ins Wasser wollen, sondern die Gemeinschaft genießen. Sie sagt: „Im Frühjahr fiebern die Argenschwanger der Eröffnung ihres Schwimmbades geradezu entgegen.“ Im letzten Jahr konnte der Förderverein satte 20 000 Euro Einnahmen an die Gemeinde überweisen. Aber das würde auch nicht reichen, gäbe es nicht Menschen, wie unter anderem Norbert Kuptz.
(hier Foto?)
Der Argenschwanger war dreißig Jahre lang hier Schwimmmeister. „Früher hieß das noch Bademeister“, sagt er. Er kennt die Nachkriegsgeschichte wie kaum ein anderer. Heute als Pensionär kann er es immer noch nicht lassen und steht mit Presslufthammer und Kelle bereit, weil es jederzeit etwas zu reparieren gibt. Norbert Kuptz hat noch erlebt, dass die Badegäste froh waren, wenn die Wassertemperatur über 14° Grad Celsius lag. Trotzdem war das Bad immer gut besucht. So erinnert sich Norbert Kuptz an einen Tag mit über 600 Gästen, fast doppelt so viel wie Argenschwang Bürger hat. „Das war ein bisschen viel“, meint er heute. Er kannte das Bad noch mit einem stattlichen Drei-Meter-Sprungturm und weit tieferen Schwimmbecken. In den 80er Jahren stand eine Generalsanierung an, die für die Gemeinde nur schwer zu leisten war. Spätestens dann war klar, dass das alles mit Gemeindegeldern nicht zu schaffen war. Die Argenschwanger gründeten am 14. Dezember 1989 ihren eigenen Schwimmbadförderverein. Damit war endlich eine solide Basis vor Ort geschaffen, um die herausfordernden Kosten auch aufzubringen. So brachte schon in den neunziger Jahren eine Solaranlage das Bachwasser in einem flacheren Becken auf angenehme Temperaturen. Sie kostete damals stolze 150.000 DM.
Das Schwimmbad von Argenschwang ist – wie auch andere im Soonwaldraum – älter als man denkt. 1938 verfügte der kommissarische Landrat des Kreises Bad Kreuznach, Nikolaus Simmer, Mitglied der NSDAP, den Bau mehrerer Schwimmbäder in den Soonwald-Dörfern. Der politische Hintergrund dieser Idee war wahrscheinlich die NS-Aktion „Baut Schwimmbäder auf dem Lande!“ zur „Ertüchtigung des Volkes“. Aus heutiger Sicht hat diese Begründung einen sehr bitteren Beigeschmack, denn eine gute Idee wurde zu Propagandazwecken missbraucht. Von diesem Denken haben wir uns heute glücklicherweise weit entfernt.
Ein geeignetes Grundstück am Gräfenbach, die „Bachwies“, war schnell ausgemacht und schon im Spätherbst 1939 war das Schwimmbecken fertig gestellt. Inzwischen war der zweite Weltkrieg ausgebrochen. In den Jahren der Kriegswirren musste der Badebetrieb komplett eingestellt werden.
Erst 1950 konnte das Freibad wieder eröffnet werden. Das sportliche Freizeitangebot an die Soonwälder passte gut in die Aufbruchstimmung der Nachkriegsjahre und die Besucherzahlen stiegen von da an stetig an. Und Argenschwang hat eine Erfolgsgeschichte, von der andere Dörfer lernen könnten – genau übertragen lässt sich das Modell aber wohl nicht.
Für die Rückfahrt lohnt eine Fahrt über Spabrücken. Schon von weitem sieht man die mächtige Barockkirche, die das Dorf überragt. Viel zu wenige wissen, dass es im Soonwald einen bedeutenden Wallfahrtsort mit dem Gnadenbild der „Schwarzen Madonna vom Soon“ gibt. Diese Statue ist eine Lindenholzfigur aus dem 14. Jahrhundert, die in der Zeit der Bilderstürmerei schwer beschädigt und am Rücken schwarz verbrannt wurde. Für die Gläubigen gilt sie als wundertätig.
Die Kirche und die dazugehörige Klosteranlage wurden im achtzehnten Jahrhundert von Franziskanern neu erbaut. Aus dieser Zeit stammt auch die Orgel aus der legendären Hunsrücker Orgelbauer Dynastie Stumm. Sie erlebte, genauso wie die Kirche, Höhepunkte und Niedergang und präsentiert sich heute als ein klangliches Kleinod in einer reich ausgestatteten Kirche voller illusionistischer Malereien und Original-Skulpturen aus der ersten Bauphase. Ein Besuch lohnt besonders zu einem Gottesdienst, wenn der Kirchenmusiker Andreas Keber das geschichtsträchtige Instrument virtuos und kraftvoll intoniert. Im Wallfahrtsort, in Nähe der Kirche, gibt es verschiedene Gelegenheiten einzukehren. Die letzten Kilometer auf schmalen Straßen zurück in die Heimat sorgen für einen entspannten Ausklang des Wald- Wasser-Wohlfühl-Ausflugs in den Soonwald.
