Grafen, Glanz und Grusel
In aufwühlenden Zeiten braucht es gute Nachrichten und wunderbare Geschichten, die unser Herz erwärmen. Glücklicherweise ist unsere Landschaft voll davon. Der beste Ausflugstipp im Neuen Jahr gleicht einer „Erleuchtung“ mit fünf Sternen: ein Schloss, eine Grabkapelle, ein Skywalk, ein gemütliches Gasthaus und eine Sternwarte. Unser neuer Ausflugtipp versprecht einen Kurzurlaub, bei dem die ganze Familie auf ihre Kosten kommt.
Es ging „wild“ her …
Zunächst ein wenig Vor-geschichte: Burgen und Schlösser sind nicht unbedingt bekannt dafür, dass mit ihnen zimperlich umgegangen worden wäre. Das gilt auch für unser größtes Schloss im Naheland, dem Schloss Dhaun. Vom Bergsporn auf 400 Meter Höhe aus, kontrollierten die Adeligen das enge, felsige Simmerbachtal unter sich. Dieser Stammsitz des angesehenen Geschlechts der Wild- und Rheingrafen war die Bühne zahlloser geschichtlicher Merkwürdigkeiten. Möglicherweise ist die Festung Dhaun sogar keltischen Ursprungs. Darauf folgten die Römer und später kamen die Franken. Seit dem frühen Mittelalter ging es dort oben „hoch her“. Streit, Krieg und Belagerungen wechseln sich mit geschickter Heiratspolitik ab; ein stetiger Kampf um den Machterhalt. Ab 1337 kommt es zur berühmten „Dhauner Fehde“. In ihrem Verlauf entstehen diverse weitere Verteidigungsburgen im Umfeld. Bei ihren Feinden galt die Festung Dhaun lange als uneinnehmbar.
Auf hohem Throne …
Anfang des 18. Jahrhunderts hielten Luxus und Glanz auf dem gräflichen Besitz. Burgherr Wild- und Rheingraf Carl lebte lange in Paris. Er und seine Gemahlin Luise bewunderten die Pracht der französischen Schlösser und wollten es ihnen gleichtun. Also bauten sie ihre Burg im Soonwald zu einem feudalen Barockschloss um. Sie schufen einen fremdländischen Garten und schmückten ihn mit Grotten, Fontänen, Laubengängen und ausländischen Gewächsen, von denen heute noch einige zu bewundern sind. Affen, Pfauen und Fasane bildeten die lebende Staffage für eine lustwandelnde Adelsgesellschaft.
Aus dieser Zeit von Exotik und Überfluss stammt wohl auch die Sage vom „Affen zu Dhaun“. Die Geschichte vom possierlichen Exoten als Familienmitglied muss den Menschen in den Soonwalddörfern als schriller Höhepunkt des Treibens „dort oben“ vorgekommen sein. Und dann geschieht das Unfassbare: das seltsame Tier stiehlt das Wertvollste, was es für die mächtigen Herren gab: den kleinen Grafen, den einzigen Stammhalter.
Die Sicht der Waldbauern aus dem Tal
Noch heute kann man gut nachvollziehen, wie das herrschaftliche Treiben die Fantasie der Menschen entzündete. Was mögen wohl die vom Leben nicht so begünstigten, hart arbeitenden Soonwälder über »die da oben« gedacht haben? War es Bewunderung für ihre Taten oder eher Neid darüber, dass der Adel so offensichtlich ein besseres Leben hatte – „dem Himmel näher“, deutlich sichtbar näher war? Darüber kann man heute nur spekulieren. Sicher aber ist, dass einige Nachrichten vom guten Leben und Treiben im Schloss, auch die Menschen unten im Tal erreichte. Und so kann man sich gut vorstellen, wie Geschichten aus dem Schloss am abendlichen Feuer die Runde machten. »Sie haben einen Affen zum Zeitvertreib«, mögen sie mit Verwunderung gesagt haben.
Abruptes Ende der Pracht
Nach der Dekadenz kam der Niedergang. 1794 eroberten die französischen Revolutionstruppen den Naheraum. Auch Schloss Dhaun kam in die Hände der Franzosen. Sie besetzten, plünderten und verkauften 1804 ihre Eroberung. Schloss Dhaun war fortan zur Ausbeutung freigegeben. Der Stolz einer ganzen Landschaft wurde zum öffentlichen Steinbruch. Eindrucksvolle Reste davon finden sich an vielen Stellen der Region, zum Beispiel auch auf der Kauzenburg in Bad Kreuznach und in Simmertal. Erst ab 1850 konnte der völlige Verfall gestoppt werden, als ein Trierer Arzt mühsam mit Renovierungsarbeiten begann; ganz im Stil der Zeit und sehr romantisch. Doch Ruhe kehrte nicht ein. Weitere Besitzerwechsel folgten, bis um die Jahrhundertwende der Kirner Leder-Fabrikant Simon das Schloss erwarb und weiter sanierte. So erwarb die Familie Simon die überlebensgroße Skulptur des „Prometheus“, die der Kreuznacher Bildhauer Robert Cauer der Ältere 1888 in Rom geschaffen hatte und postierte sie eindrucksvoll auf der Bastion. Von dort aus kämpft der Unbeugsame als „Feuerbringer“ für die menschliche Zivilisation. Von den Simons ging das Schloss 1954 an den „Zweckverband Schloss Dhaun“ über, der von der Stadt Kirn, dem damaligen Amt Kirn-Land und dem Landkreis Bad Kreuznach gebildet wurde. Er ist auch heute noch Eigentümer. Seitdem haben sich zahllose engagierte Einheimische – in Amt und Ehrenamt – um ein würdiges Fortbestehen des Schlosses bemüht. Es diente dem Zweckverband u.a. als Heimvolkshochschule, Tagungshaus, Veranstaltungsort und Jugendherberge. Aber es fehlte lange an einer zündenden Idee, buchstäblich die „Erleuchtung“.
Der neue „Wildgraf“
Bis Rüdiger Lanz auftrat, der die Geschichte von „oben und unten“ buchstäblich auf den Kopf stellt. Geboren in Simmertal hat er schon als kleiner Junge immer hinauf geschaut auf „sein“ Heimatschloss und mag sich ausgemalt haben, wie es sein würde, einmal selbst dort oben ein Schlossherr zu sein. Aus dem kleinen Soonwälder wurde inzwischen ein weltweit tätiger Unternehmer, zunächst im Eventbereich dann mit LED-Hochleistungsleuchten. Darin ist seine Firma heute Marktführer. Die Bindung zur Heimat hat der Mittefünfzigjährige dabei nie verloren. Das gilt für seinen Firmensitz genauso wie sein Engagement für die Werte der Region. So versuchte er schon Anfang der 2010er Jahre die dem Verfall preisgegebene wunderbare Gründerzeitvilla „Villa Elbertzhagen“ zu retten. Doch die Zeit war wohl noch nicht reif für eine solche Herausforderung. Vor gut einem Jahr greift er eine Etage höher, nach der „besten Immobilie“ im Umfeld seiner Heimatgemeinde: das Schloss Dhaun. Er pachtet das hoch-herrschaftliche Anwesen für dreißig Jahre und legt los. Das Ergebnis kann sich schon jetzt sehen lassen, es leuchtet weit …
Im Westen was Neues
Verlässt man in Simmertal die B 41 und fährt weiter in die enge Schlucht des Kellenbachtals, so sieht man zur Linken hoch oben auf einem Felsen ein Dorf, kühn am Hang gebaut. Der Anblick erinnert an die Küstenorte an der Italienischen Riviera wie der »Cinque Terre«. Von mächtigen Mauern umschlossen ragt aus den einfachen Häusern des Örtchens Dhaun das Schloss auf. Noch besser erscheint dieser unvergleichliche Blick kommt man aus der Gegenrichtung und fährt am Bach entlang auf Simmertal zu. Dieses klare Symbol der Macht hat jahrhundertelang seine Wirkung auf Freund und Feind nicht verfehlt. Kann man diese Leistung der Vergangenheit noch toppen? Erstaunlicherweise ja. Aber es gibt etwas anderes, das ist in dieser Form tatsächlich noch nicht lange möglich. Man kann die Wirkung von Schloss und Umfeld mit LED-Licht überraschend stark potenzieren. Wer das einmal erleben möchte, der nähert sich dem Schloss Dhaun am besten von weitem und bei Lichtwechsel in der Dämmerung. Der Anblick ist eine Reise wert. Versprochen.
Glanz, Grusel und viele Geheimnisse
Als erstes setzte der Lichtkünstler Rüdiger Lanz „sein“ Schloss Dhaun professionell in Szene. Dazu wurde der dichte Bewuchs von den hochaufragenden Schlossmauern entfernt. Das macht die Fassade zur perfekten Leinwand für die neuen „Lichtspiele“. Die Innenhöfe wurden saniert, die historische Kapelle, die „Freiluftkirche“, restauriert, der Prometheus „geputzt“, ein Hildegard von Bingen-Garten angelegt, Brunnen in Stand gesetzt, Sitzmöglichkeiten angelegt und, in Zusammenarbeit mit „Weinbau-Rebellin“ Laura Weber aus Monzingen, ein neuer Weinberg angelegt. Als Unternehmer denkt Lanz in Langzeit-Konzepten. So soll die Schloss-Akademie zu einem Dreissig-Betten-Hotel ausgebaut werden, das dem Anspruch des Namens „Schloss Dhaun“ würdig ist. Diese Neuerungen allein lohnen einen Ausflug. Auf Schloß Dhaun gibt es jedoch noch vieles mehr zu entdecken; über und unter der Erde. Unterirdische Gänge mit Verliesen voller Geheimnisse verführen zu einer Reise in die Vergangenheit. Ein „Muß“ ist der dunkle Geheimgang. Er führt vom Parkplatz aus, durch eine kleine unscheinbare Drehtür rechts an der Burg-Mauer, durch niedrige Gänge (Achtung: Kopfbeulengefahr) empor zur nächsten Ebene auf die Bastion. Dort steht sogar eine richtige Kanone; Interessant auch für größere Kinder! Von der Plattform aus und auf den Rundgängen außerhalb der Burgmauern kann man unvergessliche Blicke in die dichten Laubwälder des Soonwaldes und weit ins Nahetal werfen. Auch die Ruine der Vorburg „Brunkenstein“ ist im Steilhang noch heute gut zu erkennen. Dazu gibt es, ganz umsonst, eine dicke Portion prickelnde Soonwaldluft.
Was will man mehr! Doch – ein Wunsch bleibt noch offen. Früher konnte man auf dem Esel bequem vom Simmerbach hinauf aufs Schloss und zurück. Warum nicht auch das wiederbeleben. Das wäre tatsächlich ein Traum! Aber vielleicht tut´s ja auch eine kleine Seilbahn. Wünsche sind erlaubt.
Ein Ziel: viele Möglichkeiten
Auch die allernächste Umgebung bietet Ausflugsziele für jeden Geschmack: für die Mutigen ein Nervenkitzel-Gang über den rund 60 Meter senkrecht über die Tiefe ragenden Skywalk. Für die Liebhaber von Kultur- und Geschichte lohnt sich ein Besuch der ehemaligen Hofkirche St. Johannisberg. Sie thront weithin sichtbar hoch über dem Nahetal und hält für ihre Besucher einen reichen Schatz an wertvollen Grabdenkmälern und eine Stumm-Orgel bereit. Für Wanderer lohnt sich ein Spaziergang entlang der „Vitaltour Wildgrafenweg“ und dem „Hildegard von Bingen Pilgerwanderweg“ und „Sternengucker“
erfreut ein kostenfreier Blick gen Himmel in der Volkssternwarte Schloss Dhaun (auf Anfrage). Nach all den erstaunlichen Eindrücken ist auch für Stärkung gesorgt. Das kulinarische Angebot liegt in direkter Nähe und ist empfehlenswert. Bei Edgar Schorsch findet man noch eine originale Heimatküche mit großen Portionen im gemütlichen Ambiente. Eine Reservierung wird dringend empfohlen!
Landgasthaus St. Johannisberg
Edgar Schorsch
St. Johannisberg 12
55606 Hochstetten-Dhaun
Tel: 067526080
kontakt@landhaus-st-johannisberg.de
Täglich ab 14:00 Uhr für Kaffee und Kuchen
Sonn- und Feiertage ab 11.00 Uhr durchgehend
Mittwochs Ruhetag
Anfahrt:
Schloss und Garten gehören heute zur Ortsgemeinde Hochstetten-Dhaun. Man erreicht Schloss Dhaun am besten von der Bundesstraße 41 aus. In Hochstetten-Dhaun auf die Dhauner-Straße/K9 abbiegen und deren Verlauf folgen.
Ab hier ist die Strecke ausgeschildert. In der Nähe von Schloss Dhaun, im Ortsteil Johannisberg, liegt die Stiftskirche St. Johannisberg und die Aussichtsplattform Skywalk. Parkplätze sind überall vorhanden.
Service:
Tourist-Information Kirner Land
Kirchstr. 3
55606 Kirn
Tel.: 06752 135-155
E-Mail: tourismus(at)kirner-land.de
Ehemalige Stiftskirche St. Johannisberg
tagsüber bis 18:00 Uhr geöffnet
Nahe-Skywalk
St. Johannisberg 13
55606 Hochstetten-Dhaun
Durchgehend geöffnet
Volkssternwarte
An d. Sternwarte
55606 Hochstetten-Dhaun
Telefon: 06752/93840
Anmeldung erforderlich
Restaurant Wappensaal-Dhaun
Marco Fritz
Neuweg 2
55606 Hochstetten-Dhaun
Das Restaurant ist von Freitag bis Sonntag und an Feiertagen ab 11.00 Uhr geöffnet.
Tel: 015141636610
email: mail@wappensaal-dhaun.de
